Dienstag, 3. Juni 2008

...."sehen Sie die Krankheit als Chance"...hääääää ????

Das waren so ungefähr die ersten Worte meiner Psychologin im Erstgespräch.

Was soll denn das ???? "

Jetzt hast du eine blöde Krankheit. Nimm sie an. Mach das Beste draus." Wie soll man aus einer Krankheit das Beste machen?" - "Wie soll man aus ihr einen Sinn ziehen?"

Egal wie sehr man darüber nachdenkt. Die Krankheit selbst wird doch ohne Sinn bleiben, sinnlos also. Nutzlos. Unnütz. Etwas, das man nicht braucht.
Aber die Krankheit verändert das Leben. Nicht nur meines, sondern auch das meiner Familie. Und dabei nicht nur, wie ich am Anfang dachte, ins Negative.

Meine Krankheit wurde für mich zu einem Katalysator für die Sichtweise auf mein Leben.

Hey, ich bin in einem Loch – hol mich hier raus….mehr will ich ja gar nicht….,

Das Loch war noch nicht so tief..... Tabletten, regelmäßig zum Arzt. Ansonsten: Verdrängung.
Irgendwann: Noch eine Sorte Tabletten mehr. Fertig.
Nach Wochen wurde dieses Loch so tief, dass ich glaubte, den oberen Rand ohne professionelle Hilfe nie mehr erreichen zu können.


Das Leben ist endlich,
die Lebenszeit begrenzt


Plötzlich stelle ich soetwas fest..... mh, warum habe ich da noch niemals vorher drüber nachgedacht ? Ich habe mir doch immer nur Sorgen um das Leben Anderer gemacht…dann stelle ich zu meiner Freude auch noch fest: Hej, das Leben aller Menschen ist endlich und ihre Lebenszeit ist ebenfalls begrenzt.
Immer wieder höre ich ein Lied von "Bon Jovi":

It's my life
and it's now or never
ain't gonna live forever
I just want to live while I'm alive.

Es ist mein Leben
Es ist jetzt oder nie
Ich werde nicht ewig leben
Ich möchte eben leben während ich am Leben bin.
......................

Die Sorgen um meine Zukunft
verändern die Zukunft nicht
Die Krankheit hat mich und meine Sicht auf das Leben sehr verändert.

Was habe ich in den letzten 20 Jahren eigentlich gemacht ? Irgendwie habe ich nur funktioniert, war immer für alle anderen da, habe gearbeitet und mir Sorgen gemacht. Sorgen um andere Menschen die mir nah( oder auch nicht so nah ) waren. Wie ein Magnet habe ich alle Probleme angesaugt und dann meistens zur Zufriedenheit gelöst. Darin war ich Weltklasse. Aber niemals war Zeit für mich. ( Im Verdrängen eigener Gedanken habe ich auch zumindestens 1 Goldmedallie verdient). Unruhe war meine Haupteigenschaft. Ich hatte früher keine recht deutliche Vorstellung von meiner Zukunft, keinen Lebensplan. Niemals habe ich es gewagt über das chaotische Verhältnis zu meinen Eltern und die doch recht seltsame Familiensituation nachzudenken. Kamen solche Gedanken einmal hoch, wurden sie ganz schnell mit Alltagsproblemen gedeckelt. Es wurde eben nur immer schnell schnell Schadensbegrenzung betrieben und gut war. Heute sind meine Vorstellungen von der Zukunft klarer.
Ich will aufräumen in meinem Leben…
ich will viel mehr Zeit für mich und meine Gedanken,
will für mich da sein,
will für mich Sorgen,
ich will wieder das Leben spüren, das Gute und auch das schlechte.
Was nützt es, wenn ich mir Sorgen wegen meiner Krankheit mache, und stolpere morgen die Treppe hinunter und breche mir das Genick. Ich will sorgsamer mit mir und meinem Körper umgehen und will mein Lachen nicht verlieren, aber ich werde nicht zulassen das die Krankheit von mir Besitz ergreift.

Irgendwann nämlich traf mich dieses wie ein Schlag:
Nur Sorgen machen verändert meine Zukunft nicht, aber sie belasten meine Gegenwart.
also habe ich angefangen, in meinem Leben aufzuräumen.
Habe „Ballast“ abgeworfen und fühle mich schon ein bisschen erleichtert.
Ich habe „Freunde“ zu „Feinden“ gemacht,
Bekannte sind zu Freunden geworden,
viele Menschen gibt es einfach nicht mehr in meinem Leben,
ich nutze die Zeit – auch mal zum „Nichtstun“ und denken,
Meine Freiräume werden in Zukunft auch meine Freiräume bleiben – und dass ganz ohne schlechtes Gewissen.
Ich werde öfter „Nein“ sagen und auch dabei bleiben – mit einem Lächeln im Gesicht.
Und ich habe angefangen meine Vergangenheit zu überdenken und viele viele Dinge sind mir auf einmal klar und ich verstehe warum mein Leben bisher so gelaufen ist…..
und das alles fühlt sich gut an für mich.

Ich habe zwar eine blöde Erkrankung. Ich kann es nicht ändern. Meine Zukunft ist ungewiss (wie die aller anderen Menschen auch). Darum sollte ich mich vielleicht besser auf die Gegenwart konzentrieren. Dieses "Jetzt", das ist der wichtige Part im Leben. Ob man eine Krankheit hat oder nicht. Das alles führt natürlich auch zu „Rückschlägen“ denn nun wollte ich natürlich sofort jeden guten Tag nutzen um ja nichts zu verpassen, allen zu beweisen, dass ich noch am Leben bin. Nach dem Motto: "Ausruhen kann ich mich, wenn ich tot bin." Inzwischen nutze ich meine doch recht spärliche Energie sehr bewußt. Und trotzdem intensiv. Ich breche nicht mehr vor Wut zusammen, wenn ich merke das bestimmte Dinge einfach noch nicht wieder gehen. Ich freue mich einfach nur, wenn ich ohne Konzentrationsstörungen mal ein paar Seiten in einem Buch lesen kann, wenn es mir gelingt, den Kampf mit den Spannbettlaken zu gewinnen, oder ein kleiner Einkauf mich nicht übermäßig belastet. Aber mein Leben bleibt anders als vor der Krankheit, denn ich habe das Gefühl, bewusster zu leben. Ich freue mich morgens über jeden Sonnenaufgang, ich schiebe Dinge nicht mehr vor mir her, ich gehe nicht mehr gedankenlos mit mir und meinem Körper um, kann endlich auch einmal jemanden um Hilfe bitten ohne schlechtes Gewissen, ich genieße die Stille und lerne Menschen kennen, die ich meinte schon lange zu kennen, ich lache viel, ich lebe und ich liebe….alles sehr viel bewusster.
Und ich habe auch meine schlechten Tage...

........und nochetwas habe ich gelernt : Psychologie ist superspannend.....Danke Frau B.

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